11 Tage nach dem 10. Vollmond 78 n.d.g.B.

Rheka

Mit einem Summen auf den Lippen goss Rheka vorsichtig den kleinen Eichentrieb im Gweroshain, nachdem sie alles noch einmal durchgefegt hatte, um den Hain in seinem besten Licht zu zeigen. Die Ziegenliese war schon seit Tagen aufgeregt, ob der vielen Anmeldungen an Gästen zur großen Knappenschau der Ritter Rawalds. Es mussten also viele Menschen kommen und die sollten den Hain in seinem besten Zustand zu sehen bekommen. Rheka ging noch einmal zum Grab ihrer Großmutter Sonna Krautwund, richtete das Gwerosamulett, welches am Grabmahl hing, und lächelte, als sie an ihre gutmütige und bis zum Ende hin kesse Großmutter dachte. Ja, sie war ein Kind der Saatsonne gewesen, durch und durch.

„Priesterin!“, kam es da von hinten. Sie drehte sich um und stand einer schlanken jungen Frau mit schwarzen Haaren gegenüber, welche einen gefüllten Korb bei sich trug. „Was kann ich für Dich tun, Esme?“„Priesterin, ich habe Kekse gebacken und dachte, wir könnten vielleicht wieder tauschen?“, fragte die Frau des Tischlers Ender Eichlaub mit einem verschmitzten Lächeln. Sie kannte Rheka’s Vorliebe für Süßigkeiten nur zu genau. „Ich dachte an ein Amulett zur Steigerung unseres Umsatzes, jetzt wo so viele Leute kommen werde.“, erklärte Esme als sie näher kam. Esme war Ender Eichenlaub’s Ehefrau, welcher der Tischler in Siebenwinde war. „Na dann…“, lachte Rheka und reichte Esme ihren Amulettkorb. Dieser war noch reichlich gefüllt mit Amuletten, welche Gweros geweiht waren und dem Besitzer Schutz oder einen Wunsch erfüllen sollten. Rheka hatte reichlich Vorarbeit geleistet und so war auch sie gerüstet, für viele Knappenanwärter, die Gweros‘ Segen für das Turnier bei sich haben wollten.
Esme durchforstete den Korb mit den Amuletten und entschied sich schließlich für eines mit dem Symbol eines Eichenblattes. „Das stand doch für den Reichtum, der in unser Haus fallen soll, wie die Blätter der Eiche zur Nebelernte, nicht wahr?“, fragte sie und zog das Amulett aus dem Korb. „Sehr gut, ich sehe, meine Predigten bleiben im Kopf!“, lachte Rheka und nahm sich dankend ein paar Schokoladenkekse als Gegenleistung.
Aus der Ferne hörten sie eine Horde Kinder in Richtung Hafen rennen. Voller Vorfreude riefen sie wild durcheinander, dass ein Schiff kommt. „Wollen wir auch?“, Esme die junge Priesterin. „Gern.“, antwortete sie ihr und sie gingen gemeinsam zum Hafen um die Neuankömmlinge zu begrüßen.